Archiv für September, 2010

27.09.10

Ich hab gedacht, ich melde mich mal wieder. In letzter Zeit ist eigentlich nicht sonderlich viel aufregendes passiert, aber ich habe es endlich geschafft, meine Kamera mit in den Kindergarten zu nehmen, und Bilder zu machen, die ihr natürlich am Ende des Eintrags auch zu sehen bekommt. Je länger man hier lebt, desto mehr erfährt man allerdings über die Hintergründe der Menschen, die hier leben. Wir kennen mittlerweile schon mehr Nachbarn hier und manche sind auch wirklich nett, und stehlen auch nichts, sodass man also keine Angst haben muss. Einer zum Beispiel wohnt zwei Straßen weiter und war jetzt schon zweimal bei uns, und er hat im Moment keine Arbeit, weil er als das Erdbeben war geholfen hat Häuser aufzubauen, und deswegen seinen Job verloren hat. Das fand ich dann auch schon echt krass, das jemand wegen soetwas seine Arbeit verliert, und jetzt Tagelöhnerjobs machen muss. Eine andere Nachbarin hat uns beispielsweise auch eine Besen gegeben, obwohl sie echt fast gar kein Geld hat. Das war dann auch voll nett, und ich denke irgendwann werden wir uns auf jeden Fall bei ihr revanchieren. Hier ist es allgemein so, dass man in der Nachbarschaft ein ganz anderes Verhältnis hat, weil sich hier die Nachbarn einfach brauchen, zumindest viel mehr, als das in Deutschland der Fall ist. Ja, was kann ich noch erzählen? Unsere Chefin ist ziemlich dumm, und ich glaube sie kann uns nicht leiden, wobei ich nicht verstehe warum. Auf jeden Fall lässt sie manchmal ziemlich dumme Kommentare ab oder regt sich einfach unnötig auf. Dazu eines von mehreren Beispielen: Wir Freiwilligen müssen jeden Tag die Sala putzen, das gehört zu unseren Aufgaben, d.h. die Tische, die Stühle und den Boden. Und letzte Woche habe ich die Tische geputzt und als die getrocknet waren, waren vom Putzmittel noch so eine Art Schlieren zu sehen. Dann kam Tati unsere Chefin und frage, wer denn die Tische geputzt habe. Darauf sagte ich, dass ich sie geputzt hätte und sie widerum, dass sie aber noch dreckig seien (und das in einem sehr unfreundlichen Ton). Ich habe dann versucht ihr zu erklären, dass das kein Dreck ist, sondern Putzmittel, und ich glaube das war echt ein Fehler. Denn danach durfte ich die Tische nochmal putzen, und zwar alle, obwohl es nur um 3 Tische ging. Das war ein ziemliches Scheißgefühl, sich einfach so unterordnen zu müssen, aber wenn man schon mit dem Chef spricht, was will man dann noch großartig machen? Und ich glaube, wenn ich ihr in dem Moment gesagt hätte, das ich mich ungerecht behandelt fühle, hätte sie das eh nicht verstanden. Sowas habe ich hier auch kennengelernt, wie es ist, in einer Hierachie zu arbeiten, wo man Ärger auch oft einfach runterschlucken muss. In Chile gibt es hier sowieso einen großen Unterschied. Wenn man als unterstes Glied in der Kette steht, muss man sich fügen, ob es einem gefällt oder nicht. Aber ich denke ich werde/muss mich damit abfinden. Auf der anderen Seite muss ich auch sagen, dass sind Dinge, die nur einen kleinen Schatten auf die Arbeit werfen, und es macht trotzdem noch Spaß. Und eins habe ich seitdem ich hier bin gelernt, mehr noch als in Deutschland: man muss immer das positive sehen, und das Beste aus allem machen, dann wird es am Ende auch gut….

Der Kindergarten

Wir bei der Arbeit xD

Beim Arbeiten in Zonen (Trabaja en zonas)

Ja, da guck ich auch in die Kamera :D

Oscar, der ist so süß ^^

Millaray und ich

Im Patio

===Bildersession===

…to be continued…

22.09.10

So, ich dachte jetzt, wo das Bicentenario vorbei ist, melde ich mich mal wieder. Es war ja ein sehr langes Wochenende (von Freitag bis Montag frei) und ich habe auch ganz schön viel erlebt. Bei uns im Haus, war es übrigends ganz schön leer, da alle außer Matthias und ich weg waren. Das heißt also am Freitag haben Matthias und ich uns zu Hause einen schönen Tag gemacht, haben gek0cht und auf das Haus aufgepasst, da wir es ja nicht alleine lassen dürfen. Am Samstag war ja dann der eigentliche Nationalfeiertag und ich habe ihn mit chilenischen Freunden verbracht (wie es sich gehört). Ich bin also zu Manfred nach Las Condes gefahren und wir haben in einem Park asado (grillen) gemacht und es waren alle seine Nachbarn und viele seiner Familie da. Es wurde traditionelle Musik gespielt und natürlich auch Cueca getanzt, die ich inzwischen auch schon ganz gut kann (ja es heißt DIE Cueca!). Etwas später am Abend, und mit etwas mehr Terremoto intus sind wir dann noch auf eine Fonda gegangen, auch ganz traditionell. Eine Fonda wäre denke ich in Deutschland vergleichbar mit einem Stadtfest, es gibt ganz viele Stände aneinander gereiht, und ein großes Zelt, indem getrunken, gegessen und getanzt wird. An den Ständen konnte man auch recht chilespezifische Artikel kaufen, die jedoch ziemlich teuer waren, weshalb ich mich dazu entschlossen habe nichts zu kaufen. Was auch sehr schön war, war die Stimmung an diesem Abend, alle haben fröhlich und vor allem friedlich gefeiert, mit einem Nationalstolz, der in Deutschland nie möglich wäre. Sowieso könnte es ein solches Fest in Deutschland nie geben, weil es dann gleich von allen Seiten wieder heißen würde, welche Nazis wir doch seien. Und das finde ich wirklich ziemlich schade, denn so ein Fest tut jeder Nation gut. Ja, nach der Fonda sind wir dann zu Manfred nach Hause gegangen, und haben bei ihm im Haus ein bisschen weiter gefeiert. Sonntag hatten wir dann eigentlich vor, dass Manfred zu uns nach Renca zum Essen kommt, aber wir waren vom Vortag noch so angeschlagen, dass wir das leider nicht realisieren konnten (weniger fein ausgedrückt: uns war dermaßen schlecht, dass wir einfach nur schlafen wollten). Also war der Sonntag dann ziemlich entspannt, Matthias und ich, und eine Weinflasche, die wir aufgrund eines fehlenden Korkenziehers nicht öffnen konnten. Ja, das war eigentlich auch schon das wichtigste. Was ich ein bisschen schade fand, war erstens, dass wir nur Samstag weggehen konnten, weil wir auf das Haus aufpassen mussten, und zweitens, dass niemand mit mir die Lichtershow bei La Moneda ansehen wollte. Ich hatte eigentlich vor mit Matthias hinzugehen, aber dann hat Manfred uns davon abgeraten, weil dort bis zu 1.000.000 Menschen waren, und das dann doch etwas zu eng war. Und auf ein Loveparade Revival hatte ich auch keine Lust. Also alles in allem ein sehr schönes Fest eines Volkes, das sich ein Wochenende zuvor noch die Köpfe eingeschlagen hat….

14.09.10

Ich muss sagen, es geht mir im Moment nicht so gut. Aber eher körperlich. Ich bin die ganze Woche krank geschrieben, weil ich eine ziemlich heftige Grippe habe. Und das nervt mich ein bisschen, ausgerechnet diese Woche, wo doch im Kindergarten die Feste für das Bicentenario stattfinden! Ich hoffe, dass ich wenigstens für das Wochenende fit bin. Ja, ansonsten, 11.September: Ganz ehrlich, es war wirklich ziemlich krass. Auf den Straßen war schon morgends, wo ich von Recoleta nach Renca gefahren bin die ersten Proteste am Start. Und je später es wurde, desto schlimmer wurde es. Abends so gegen 11 haben sie bei uns vorne an der Hauptstraße mit Tränengas geworfen, und der Wind hat den Mist auch noch zu uns ins Haus getragen, das war krass. Es mussten alle husten und so, und es hat ziemlich gebrannt in der Lunge und in den Augen, aber dann haben uns die Chilenen, die bei uns zu Besuch waren den Tipp gegeben, Zitronen aufzuschneiden, und das half dann auch. Also ich weiß jetzt Zitronen helfen gegen Tränengas! Am nächsten morgen war dann aber auch schon alles vorbei und im Radio haben sie gesagt, dass wohl 2 Menschen gestorben sind, aber ja Verluste scheint es wohl an diesem Tag immer zu geben. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich auf die Warnungen gehört habe und an diesem Tag NICHT rausgegangen bin, denn das wollte ich mir wirklich nicht zumuten, mich dann von der Polizei mit Wasserwerfern abschießen zu lassen, Nein Danke! Und mehr gibt es dazu wirklich auch nicht zu sagen, glaube ich…

Ja, gestern war ich beim Arzt, weil ich wie gesagt krank bin. Und musste mal knapp 3 Stunden mit 39 Fieber warten, was offenbar niemanden interessiert hat, und dazu kam, dass ich in dem Wartezimmer ziemlich gefroren habe, weil permanent die Tür offen stand und keine Heizung existierte. Nach fast 3 Stunden war ich also dran, der Arzt Untersuchte mich, sagte mir, dass ich eine Grippe hätte,  ich solle Paracetamol nehmen, 5 Minuten, fertig. Dazu hätte ich wirklich nicht zum Arzt gehen brauchen. Aber das ist hier halt so. Oh Gott, wie oft ich diesen Satz in den vergangenen Wochen schon gehört habe, das ist in Chile halt so. Aber bei der Gesundheit hört für mich der Spaß auf, und das nächste Mal überlege ich es mir genau, ob ich zum Arzt gehe oder nicht…

Nachtrag vom 24.08.10

Morgen ziehen wir endlich in unser Haus ein. Ich freue mich schon riesig! Ich werde so wie es aussieht ein Einzelzimmer haben, das ist echt super. Und dann habe ich auch endlich Internet zu Hause und muss nicht immer ins Internetcafe. Ja, was beschaeftigt mich im Moment noch? Am Wochenende waren wir auf einer Party, bei einem chilenischen Freund (Manfred), das war echt super. Ich war mit Marina und Iliana dort und Marina und ich kannten echt niemanden, aber die Leute haben uns sehr herzlich aufgenommen, und deshalb war das ueberhaupt kein Problem. Chilenische Partys sind echt anders als Deutsche. Die Stimmung ist einfach super, und die Leute tanzen eigentlich immer. Viele waren auch sehr interessiert an uns, an unserem Land, und haben uns praktisch ausgefragt, das war aber nicht unangenehm, eher im Gegenteil. Wir haben natuerlich auch umgekehrt viel ueber die Leute erfahren, und haben ein Spiel gespielt, das in Chile sehr bekannt ist, da muss man eine Art Holzpflock, der in der Mitte ein Loch hat mit einem Klotz fangen, wobei beide durch eine duenne Schnur verbunden sind. Das ist verdammt nochmal nicht leicht! Macht aber hoellisch Spass. Wir haben uns dann ausserdem gleich noch ein paar Tipps geholt, von Dingen, die wir unbedingt noch probieren muessen bzw. von Orten, die wir unbedingt noch sehen muessen. Fuer naechste Woche Samstag sind wir uebrigends gleich wieder eingeladen, diesmal in ein lateinamerikanisches Tanzlokal, zum Cueca (das ist der chilenische Nationaltanz) tanzen. Da freue ich mich wirklich schon besonders drauf, weil ich naemlich ueberhaupt noch nicht tanzen kann, und das eines der Dinge ist, die man hier in Lateinamerika glaube ich ganz gut lernen kann. Auf jeden Fall sehr nett, diese Leute, und ich denke, wir werden auch oefter was mit ihnen machen. Das hoffe ich zumindest. Der Sprachkurs neigt sich Gott sei Dank auch dem Ende zu, naechste Woche Dienstag haben wir unsere letzte Sitzung, und ich bin wirklich froh darum. Ich will nicht sagen, dass es komplett unnoetig war bzw. das ich gar nichts gelernt haette, aber ich habe ihn mir einfach anders vorgestellt, und haette mir gewuenscht, dass wir mehr sprechen lernen und nicht so unendlich viel Grammatik machen. Die Arbeit im Kindergarten klappt auch immer besser, ich habe jetzt wahrscheinlich die Sala (Gruppe) gefunden, in der ich arbeiten werde, das ist die mit den 3-4 jaehrigen. Aber es ist noch nicht zu 100% sicher. Ich weiss jetzt einfach schon viel besser, was ich zu tun habe, und wie der Tagesablauf von den Kindern (zumindest den ganzen Nachmittag) aussieht. Es ist wirklich harte Arbeit, und irgendwie ist es natuerlich schon ein bisschen anders, als das, was ich mir vorgestellt habe, aber es macht bis jetzt Spass. Wir Freiwillige muessen halt auch viele sehr einfache, langweilige Aufgaben machen, wie putzen, aufraeumen usw. aber ich wusste von Anfang an, dass das auch dazugehoert, deshalb ist es fuer mich ok. Aber wenn wir dann mit den Kindern im Patio (Hof) spielen, ist das alles sowieso vergessen. Ansonsten werden eigentlich viele Sachen gemacht, die in deutschen Kindergaerten auch gemacht werden, wie singen, malen, basteln, einfach im Patio spielen oder so kleine Sportuebungen. Der Unterschied ist denke ich einfach, dass es fuer jeden Tag einen strikten Plan gibt, an den sich auch gehalten werden muss, das ist schon etwas komisch, wenn den Kindern dann halt gesagt wird: „Hier malt jetzt!“, oder so. Aber die Kinder sind auch alle daran gewoehnt und kennen es nicht anders. Die Tías sind auch nach wie vor sehr nett, und ich glaube mit ihnen wird es keine Probleme geben. Die einzige, die etwas komisch ist, ist unsere Chefin, aber damit muss man klar kommen, das ist genauso, wie wenn man in der Schule einen schlechten Lehrer hat, das muss man auch einfach akzeptieren. Ich habe sowieso gelernt, dass man in diesem Land vieles einfach hinnehmen muss. Manches scheint vielleicht etwas kompliziert und ueberfluessig, aber ich glaube fuer Chile ist das wichtig. Hierzu zwei Beispiele. Erstes Beispiel: Wenn man hier in den Drogeriemarkt geht, dann stehen alle Waren hinter einer Theke und man muss dem Verkaefer sagen, was man will. Dieser gibt einem dann einen Zettel, mit diesem Zettel geht man zur Kasse und bezahlt. Dort bekommt man wieder einen Zettel, den man einem Mitarbeiter gibt, der das eingekaufte eingetuetet hat. Das ist wirklich, finde ich, viel zu kompliziert. Und das ist beispielsweise im Elektromarkt etc. genauso. Zweites Beispiel: Wenn man im Supermarkt Obst/Gemuese oder Brot kauft, muss man dieses in einer Tuete einem Mitarbeiter geben, der es dann abwiegt. Das koennte man theoretisch auch selbst machen. Es sind sowieso immer und ueberall massenhaft Mitarbeiter, das man mal keinen findet, wenn man mal eine Frage hat, kommt gar nicht vor, das wiederum finde ich sehr gut. An der Kasse stehen auch immer Leute, die einem die Einkaeufe eintueten, und die verlangen noch nicht einmal unbedingt Geld, weil sie vom Supermarkt angestellt sind. In Deutschland waere so etwas undenkbar. Aber diese ganzen Billigarbeitskraefte arbeiten hier einfach fuer wenig Geld, weil es besser ist, als fuer nichts zu arbeiten. Hartz IV oder dergleichen gibt es hier halt einfach nicht, und die Leute sind somit auf sich allein gestellt. Davor habe ich den hoechsten Respekt. Und mir tut es ehrlich gesagt weh, wenn ich die Schmarotzer in Deutschland vor meinem geistigen Auge sehe, und dann hier diese Leute, die sich fuer 200 Euro im Monat den Arsch aufreissen. Das ist einfach so ein Punkt, wo ich die Welt nicht verstehen werde, und ich finde wirklich die Deutschen koennen sich gluecklich schaetzen eine solche Absicherung zu haben und manchmal, ja immer oefter sogar, wuenschte ich sie muessten so Leben wie diese Menschen hier. Sie muessten das sehen, was ich sehe, den jetzt kann man die Augen nicht mehr verschliessen, vor nichts….

08.09.10

Wie ihr euch sicher schon denken könnt habe ich natürlich wieder eine passende Ausrede parat, warum ich mich die letzten Tage nicht melden konnte.  Und zwar hatte ich euch ja sicher schon von dem bis dahin noch kleinen Stromproblem erzählt. Die letzten zwei Tage waren wir dann komplett ohne Strom, und zwar weil die alten FW scheinbar die Rechnungen seit Juni nicht mehr bezahlt hatten und uns so der Strom einfach ohne Vorwarnung abgestellt wurde. Ich muss schon sagen, so schlimm war es eigentlich garnicht, nein es war sogar sehr romantisch, abends bei Kerzenschein, und sich im dunkeln zu duschen, was aber auch nicht nötig gewesen wäre, denn den Dreck hätte man ohnehin nicht gesehen. Nein, jetzt mal Spaß beiseite, mir ist dadurch echt mal aufgefallen, wie abhängig man heutzutage echt von Strom ist. Gestern hat Elias so gesagt, ich lad jetzt mal mein Handy auf, woraufhin ich entgegnete, ob es denn mit Sonnenenergie funktionieren würde. „Oh ja, scheiße stimmt!“, hat er dann so schön gesagt, und ich dachte mir einfach nur ich bin echt froh wenn wir wenigstens wieder Licht haben. Aber Gott sei Dank haben wir seit heute Mittag wieder Strom und alles funktioniert wieder. Wobei man sagen muss, dass es durchaus noch hätte schlimmer kommen können, nämlich wenn sie uns das Wasser auch noch abgestellt hätten, aber das konnte Helga dann noch verhindern. Ja, das war eigentlich schon das spektakulärste, was die letzten Tage passiert ist. Die Arbeit im Kindergarten läuft immer besser, obwohl ich heute nicht zur Arbeit gehen konnte, weil ich die Grippe habe und mir im Moment nicht so wohl ist. Aber ich muss auch sagen, je länger man im Kindergarten ist, desto mehr blickt man hinter die Kulissen. Damit meine ich, desto mehr erfährt man über die Hintergründe mancher Kinder, und das ist schon nicht leicht. Es gibt wirklich viel Gewalt hier, viele wachen ohne Vater auf, oder in total verworrenen Familienverhältnissen. Dann kann man auch irgendwie schon teilweise verstehen, warum manche Kinder so sind, wie sie sind. Im Kindergarten wird zwar so gut es geht versucht die Kinder Struktur und Ordnung zu lehren, aber ich glaube, wenn sie es von zu Hause nicht anders kennen, dann wird ihnen das kaum helfen. In letzter Zeit frage ich mich echt immer öfter, wie das ein oder andere Kind wohl in 10 Jahren aussieht. Und ich finde es echt erschreckend, dass man sich bei einigen echt fast sicher ist, dass sie später mal zum Flyte* werden, oder wahrscheinlich im Knast sitzen. Mir fällt dazu gerade ein Beispiel ein, von einem jungen aus meiner Sala, der ein richtig großes Problem mit dem Sprechen hat. Alle anderen Kinder können im Prinzip schon richtig sprechen, man kann sich mit ihnen auch schon richtig unterhalten (es sind aber die ältesten), nur Alex kann es nicht. Wenn er zum Beispiel in den Patio will sagt er „Tía Patio!“ statt „Tía puedo ir al Patio?“, er kann also gar keine richtigen Sätze formen, und sogar meine „Chefin“ versteht ihn sehr oft nicht. Gestern saß er da, schaute mich an und sagte „Tía bien.“, ich habe verzweifelt versucht herauszufinden, was denn jetzt genau „bien“ sein sollte und  habe auch mehrmals gefragt „Qué es/está bien, Axel?“ oder „Necesitas algo?“/“Te puedo ayudar?“, aber er hat mich echt nicht verstanden, weil ich auch den Eindruck hatte, er wusste teilweise überhaupt nicht, was die Wörter bedeuten. Und plötzlich dachte ich darüber nach, ob zu Hause überhaupt jemand mit ihm redet, denn dieses Defizit muss ja einen Grund haben. Ich habe dann beim Mittagessen mit Sami (meiner Chefin) gesprochen und sie meinte, sie müsste auch nicht, warum genau er solche Probleme hat, nur das man etwas dagegen tun müsste, den wenn der junge nächstes Jahr in die Schule kommt, hat er keine Chance. Und da musste ich an Deutschland denken, an die ganzen Förderprogramme und das es wohl doch eine große Rolle spielt, wo man geboren wird. Ist Chancengleichheit überhaupt möglich? Und was genau heißt Chancengleichheit? Soetwas lernt man in Deutschland in der Schule, aber nur theoretisch, wenn man es praktisch erlebt, hat es eine vollkommen andere Bedeutung. Plötzlich bringe ich diese abstrakten Begriffe mit Personen in Verbindung, mit Gesichtern, mit Persönlichkeiten. Da kann man nicht mehr so nüchtern darüber denken. Und doch, eine Lösung zu finden bleibt schwer. Vielleicht sollte ich auch mal mit der Directora reden und fragen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, denn Axel ist wirklich ein sehr lieber und braver Junge. Ich finde es sowieso sehr zu verstehen, warum ich so viele Möglichkeiten geboten bekomme etwas aus meinem Leben zu machen und diese Kinder so wenige. Manche sind genauso intelligent, oder genauso geniale Persönlichkeiten, aber sie haben einfach nicht die Chance, weil sie auf der anderen Seite der Welt geboren wurden. Und da frage ich mich auch, wieso in Deutschland eigentlich so viele Jugendliche denken sie hätten keine Zukunft, im Gegenteil, sie haben die beste Zukunft, die man sich nur vorstellen kann….

* Flyte: Bezeichung für Kriminelle hier in Chile, die bevorzugt Hip Hop hören und auch dementsprechend angezogen sind. Eine anadere Bezeichung wäre wohl sowas wie „Gangster“.

05.09.10

So, wir haben es jetzt endlich geschafft, wir haben Internet im Haus! Der Internetmann, der übrigends Rodrigo heißt, war jetzt endlich da und hat uns die neuen Kabel installiert. Eins von den Kabeln funktioniert zwar (noch) nicht, aber das wird sich sicher in chilenischer Geschwindigkeit noch ändern. Im moment haben wir auch ziemlich Probleme mit dem Strom, d.h. eigentlich haben wir das schon, seit wir hier wohnen, aber morgen kommt Helga, die Freiwilligenbeauftragte, vorbei und will sich all die Probleme, die wir imMoment mit dem Haus haben anhören, und was dagegen unternehmen. Und ich hoffe echt, dass das bald erledigt wird, denn es nervt mittlerweile echt fast ohne Strom zu leben.

Die Arbeit im Kindergarten ist zur Zeit auch voll anstrengend, man muss sich den Respekt der Kinder wirklich erst erarbeiten, und das ist echt superschwer. Ich will mal schauen, dass ich vielleicht bald mal die Kamera mitnehme, und ein paar Bilder mache. Wir haben jetzt auch unsere Salas zugeteilt bekommen, ich bin in der Transición, da sind die 4-5 jährigen. Da bleibe ich ein halbes Jahr und dann wird die Sala gewechselt. Aber ich bin bis jetzt voll zufrieden mit der Einteilung. Die Chefin von meiner Sala, Tía Sami ist auch voll nett, und hat auch von anfang an gesagt, dass ich mich einbringen darf, und da habe ich wirklich Glück, denn das ist nicht selbstverständlich. An dem Tagesablauf im Kindergarten muss ich mich noch gewöhnen, denn der ist, wie ich ja schon erwähnt habe eigentlich jeden Tag gleich, was mit der Zeit sicherlich auch ein bisschen dazu führt, dass man in einen gewissen Trott fällt, aber das alles wird sich zeigen. Also wenn es etwas neues aus dem Kindergarten gibt, werdet ihr es natürlich erfahren und bald mache ich auch einen Plan, wie mein Tagesablauf unter der Woche so aussieht.

Am Wochenende haben wir bei uns im Haus gekocht, und es sind ein paar Freunde gekommen (andere FW und 3 Chilenen), das war echt voll schön, und ich habe mir auch vorgenommen, mir hier ein paar neue Gerichte beizubringen. Aber dazu habe ich ja noch ein Jahr Zeit. Ab morgen wartet also wieder eine anstrengende Arbeitswoche auf mich, aber vorher noch, wie versprochen die ersten Bilder von unserem Haus:

Ich habe jetzt noch nicht das ganze Haus fotographiert, weil ich im Moment ein Problem mit meiner Kamera habe, und die Qualität der Bilder dann natürlich auch dementsprechend ist, aber um mal einen ersten Eindruck zu bekommen, ist das hier denke ich ausreichend….